Mittwoch, 24. August 2016

Die Gefährten des Blauen Mondes #3

Es war bereits kurz vor Sonnenuntergang als sich die Tür wieder öffnete und Finias in das Rot der untergehenden Sonne trat. Eo und Artis folgten ihm auf dem Fuß.
"Und?" ich hatte so lange gewartet, dass ich einfach nur hoffe, dass es wenigstens nicht vergeblich gewesen war.
"Lass uns erst Mal vom Anwesen verschwinden" vertröstete mich Artis. Das klang aber nicht wirklich zuversichtlich. Sie verstauten ihr Waffen und wir traten zurück auf die Straße.
"Er hat Jali gestern Abend gesehen. Sie reden oft miteinander. Es geht vor allem um Politik und den aktuellen Klatsch und Tratsch. Alles in allem ein eher nicht hilfreiches Gespräch" fasste Finias das Geschehen der letzten Stunde zusammen.
"So ein Mist" raunte ich. Ich hatte wirklich gehofft, wir würden das hier alles schnell erledigt bekommen, um uns schnellst möglich spannenderen Dingen widmen zu können. "Und wie sieht dann das weitere Vorgehen aus?"
"Es ist deutlich zu spät, um noch einen der anderen Gäste aufzusuchen. Aber: Eo und Artis, ihr seid ja diesem nächtlichen Geräusch heute Vormittag bereits etwas nachgegangen. Vielleicht sollten wir uns mit den neu gesammelten Informationen aber trotzdem noch mal beim "Knochenwürfel" umsehen."

Über die Sinnhaftigkeit dieser Idee waren wir uns einstimmig einig und so zogen wir los. Artis war bereits ein paar Mal in Gondalis gewesen und kannte die Straßen besser als wir. Er lief mit uns durch verwinkelte Sträßchen und direkt auf einen steil abfallenden Tunnel zu. Der Tunnel lag wie ein dunkler Schlund vor uns und ich hielt abrupt inne.
Ich hatte zuhause eine sehr strenge Ausbildung genossen. Die Kämpfer des Wächterbunds sind weit über die Grenzen der Verheerten Länder bekannt und das nicht ohne Grund. Ich hatte jedoch einen der strengsten Ausbilder, die man sich überhaupt vorstellen kann. Meister Faolan lebte das Motto "Was dich nicht tötet, härtet ab" mehr als intensiv. So wurden Feuerkreise um uns gezogen, wir wurden über Stunden in Eiswasser gebadet und in Kisten gesperrt, in denen es nicht mal Artis kleines Eichhörnchen Mondlicht lange ausgehalten hätte. Ja, Artis schleppte ein handzahmes Eichhörnchen mit Holzbeinchen, Hakenhand und Augenklappe mit sich herum! Ein richtigen kleiner Pirat.
Aber zurück zu mir. Seit ich mal eine ganze Nacht in einer furchtbar engen Kiste verbracht hatte, war ich nicht stärker, sondern einfach nur panisch. Weder Feuer noch Kälte konnten mir etwas anhaben, aber der Gedanke an Enge schnürrte mir die Luft ab.
Und in diesem Tunnel, der hier vor uns lag,konnte ich weder aufrecht gehen, noch meine Arme vollständig ausstrecken. Und damit war er für mich eng. Zu eng!
"Dieser Tunnel sieht nicht gerade vertrauenerweckend aus. Gibt es nicht einen anderen Weg?" Ich versuchte mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. Ich suchte Blickkontakt zu Finias, in der Hoffnung, er würde mich unterstützen. Und ich hatte Glück. "Ja, ich möchte auch lieber ein bisschen mehr von der Stadt sehen, damit ich einen besseren Überblick bekomme."
"Aber das ist der kürzeste Weg nach unten. Ich versteh wirklich nicht, was das Problem ist" schnauzte Artis. Diese Reaktion hatte ich nun wirklich nicht erwartet! Er war seit heute Morgen eher ruhig und zurückhaltend gewesen. Jetzt wirkte er eher kühl und distanziert.
Finias versuchte zu schlichten "Dann teilen wir uns auf. Wir gehen außen rum und ihr zwei geht hier lang. Dann decken wir auch eine größere Fläche ab."
"Ich weiß nicht, ob ich alleine mit Artis durch diesen dunklen Tunnel gehen möchte" schaltete sich nun auch Eo ein. Artis sah sie irritiert an. "Schaut ihn euch an! Er sieht nicht gerade aus, als ob er uns beide in einem Kampf verteidigen könnte. Ich gehe vielleicht doch lieber mit der Vargin. Die sieht wirklich stark aus." Artis Kopf wurde leicht rot - ob aus Wut oder Scham vermochte ich nicht zu sagen. Auch wenn ich diese Aussage nicht besonders höflich fand, so musste ich Eo doch Recht geben. Er machte einen wirklich schwächlichen Eindruck.
Allerdings bedeutete das auch, dass wir Eo mitnehmen mussten. Aber irgendwas ist ja immer...

Artis entschied sich dagegen, die Abkürzung alleine zu gehen und führte uns unter Murren über den Schauerpfad in die Unterstadt.
Die Nacht war schon über die Stadt herein gebrochen, als wir den "Knochenwürfel" erreichten.
"Lasst uns nach der Kutsche ausschau halten. Oder wenigstem dem Wappen." nuschelte Finias vor sich hin.Wir teilten uns auf und umrundeten die Spielhalle. Wir lugten in Hinterhöfe und Nebenstraßen, doch nirgends auch nur eine Spur von der Kutsche. Auch Artis und Eo, die Fenris nach Spuren hatten schnüffeln lassen, waren erfolglos gewesen.
Diese Sache stank zum Himmel und wir steckten dort bis zum Hals drin.Und ich musste gestehen, irgendwie hatte mich so langsam der Ehrgeiz gepackt, diesen Fall aufzulösen. Scheinbar ging es Finias genau so.
"Ich weiß nicht, wie es um eure Konstitution bestellt ist, aber ich würde gerne heute Nacht das Gebiet um den "Goldenen Würfel" im Blick behalten. Ich erwarte zwar nicht, dass die Entführer vorbei kommen und uns zu Jali führen, aber vielleicht finden wir eine Spur."
Ich persönlich konnte sehr gut und sehr lange ohne Schlaf auskommen "Kein Problem - ich bin dabei!" "Ich brauche eigentlich meinen Schönheitsschlaf" maulte Eo und strich Fenris durchs Fell. Kurz sah es aus, als ob er angesichts dieser Aussage die Augen verdreht hätte. Aber das hatte ich mir bestimmt nur eingebildet. "Hab dich nicht so, Eo! Du bekommst schon noch deinen Schönheitsschlaf. Aber jetzt gehen wir wieder zurück zum "Goldenen Würfel". Aber diesmal nehmen wir meine Abkürzung." Ein leicht hämisches Grinsen huschte über Artis Gesicht. Dieser miese...
Hätte ich kreidebleich anlaufen können, ich wäre wohl weißer gewesen als ein Pfund Mehl. Ich umklammerte meinen Speer und versuchte ruhig zu atmen. Bloß keine Schwäche zeigen!
"Artis, geh du mit Eo durch den Tunnel. Ich und Luc gehen wieder außen rum." Kaum merklich ließ ich die Luft aus meinem Körper entweichen. Finias wurde mir von Minute zu Minute sympathischer.
"Wie ihr meint!" Artis machte eine abrupte Kehrtwende und stiefelte los. "Los, Eo!" schnautze er Eo an, die etwas verdattert stehen geblieben war. "Aber Artis" zischte sie "Glaubst du nicht, es ist besser, wenn wir alle zusammen bleiben? Was, wenn wir überfallen werden? Wer wird uns dann beschützen? Du etwa?" Ihre Nörgelei wurde mit jedem Meter, den die beiden zwischen uns brachten, leiser.
Auch wenn Artis gerade nicht sehr nett zu mir gewesen war - aktuell tat er mir furchtbar Leid.

Wir machten uns ebenfalls auf den Weg nach oben. Ich schaute zur Seite und hauchte ein leises "Danke" - Finias nickte. Er zog seine Flöte aus der Tasche und fing an zu spielen. Er spielte eine so traurige Melodie, dass ich einen Kloß im Hals bekam. Selten hatte ein Lied mein Herz so schwer werden lassen.
"Was spielst du da?" fragte ich und er ließ die Flöte nach unten sinken.
"Ich weiß es nicht" antwortete er "Ich lasse mich einfach von meinen Gefühlen leiten. Jeder Ort, den ich besuche, hat seine eigene Melodie. Und wenn ich meinen Geist dafür öffne, fließt diese Melodie einfach durch mich hin durch und mit meiner Flöte setzte ich sie frei."
Ich hatte mindestens 3 Fragezeichen im Gesicht. Wovon zur Hölle redete dieser Bursche da. Ich schaute schnell in eine andere Richtung und stammelte ein leises "Interessant". Schließlich musste er nicht wissen, dass ich nicht mal ansatzweise verstanden hatte, was er da gesagt hatte.
Er spielte noch ein paar Takte bevor wir schweigend nebeneinander weiter gingen.

Einige Zeit später - wir hatten die Grenzen der Mittelstadt schon länger passiert - wies uns ein bekanntes Gefiepse darauf hin, dass wir unser Ziel fast erreicht hatten.
"Artis mir ist langweilig!"" Ich bin müde!"" Schau, Fenris hat auch keine Lust mehr""Das ist so öde." "Wären wir doch nur mit den anderen gegangen, dann müssten wir jetzt hier nicht eine Ewigkeit rumstehen!"
"Keine Sorge, Eo. Das Warten hat nun ein Ende" sagte ich, als wir aus dem Halbdunkel der Häuser vor den "Goldenen Würfel" traten.
"Na endlich. Seid ihr her gekrochen? Das hat ja eeeeeeeeeeeeeeeewig gedauert!" Das Wort "ewig" zog sie in so sehr in die Länge, man hätte ihr locker jeden Zahn ziehen können, so lange war ihr Mund geöffnet. Diese furchtbar Nervensäge!
"Nun sind wir ja da" unterbrach sie Finias "Es ist noch nicht sehr spät und ich könnte etwas zu Essen gebrauchen! Was haltet ihr davon, wenn wir dort vorne einkehren?"
Jetzt wo Finias Essen erwähnte, meldete sich auch mein Magen zu Wort. Ich konnte locker ohne Schlaf auskommen, aber ohne Essen war unmöglich.

Da es den anderen beiden ähnlich ging, kehrten wir im "Silbernen Becher", einer Schenke zwei Querstraßen von der Spielhalle entfernt, ein.
Eine junge Dame nahm uns in Empfang. "Möchten die Herrschaften speisen?" sagte sie und versuchte dabei ihre Irritation über die Konstellation unserer Gruppe zu verbergen. Sie führte uns zu einem Tisch in der Ecke.
"Ja, bitte" lächelte Finias "Was könnt ihr uns empfehlen?"
"Wir servieren heute frisch gefangenen Hai oder einen frischen Hasenbraten"
Hmm, Hasenbraten - das klang sehr nach meinem Geschmack. Und wenn es das war, was aus der Küche so herrlich duftete, dann würde es wohl auch ganz wunderbar schmecken.
Und so bestellten wir alle Hasenbraten und etwas zu trinken. Während Eo und ich uns ein Bier gönnten, war es den Herren eher nach Tee.
"Woher kennt ihr zwei euch?" fragte Finias um die Wartezeit zu überbrücken.
"Sie läuft mir seit 2-3 Wochen nach!" knurrte Artis. "Ich hab ihn auf einem Schiff gefunden!" Sie nickte wie ein kleines Kind, dass den Wahrheitsgehalt seiner Aussage noch mal unterstreichen wollte.
"Eo, du sprichst über Artis, wie über ein Tier!" tadelte sie Finias.
"Aber Artis und ich sind Freunde!" wimmerte Eo. "Mein Name ist Ariantis! Ach..." Die Gastwirtin brachte das Essen und beendete damit diese unangenehme Situation.
Schnell fing ich an, das essen in meinen Mund zu schaufeln. Eo schmollte über ihrem Teller, während Artis seine Gabel so stark in den Kaninchenbraten hakte, dass der Teller darunter zu zerbersten drohte.
Wenigstens schien der Genuss dieses zarten Bratens (vielleicht war es aber auch der Kräutertee und der Alkohol) die erhitzen Gemüter wieder etwas zu beruhigen.
"Ich denke, wir sollten demnächst wieder aufbrechen. Ich möchte an die Stelle, an der Jali verschwunden ist" brach Finias das Schweigen.
Ich hob die Hand, um bei der Gastwirtin die Rechnung zu verlangen. "1 Lunar 20 Telar für Hase und Bier. Und 1 Lunar für Hase und Tee."
Ich griff in meinen Beutel und reichte ihr das Geld. Im Augenwinkel sah ich, wie Artis und Eo immer hektischer anfingen, ihre Gewandungen zu durchsuchen.
"Oh, mein Gott! Wir sind ausgeraubt worden" fiepste Eo, während Artis weiter sein Geld suchte.
"Wie konnte das nur passieren? Und wann? Warum habt ihr euer Geld noch?"
"Ich gehe davon aus, dass ihr auf eurer Abkürzung ausgeraubt wurdet. Die Diebe hier scheinen ziemlich flinke Finger zu haben" Ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Das hatte Artis nun von seiner Sturheit!
Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass die beiden ihr Essen nicht bezahlen konnten. Und Zechprellerei war keine Option! Da Finias, wie erwähnt, ein armer Schlucker war, beglich ich die Rechnung, ohne weiter darüber nach zu denken. Nun konnten wir uns endlichen auf den Weg machen.

So postierten wir uns also im Halbdunkeln der kleinen Gasse, in der Fenris am Mittag noch ausgeschlagen hatte. Die Gasse war gut befestigt, jedoch erhellte kein Licht den Weg. Es war sehr spät und auch die Bewohner, mit denen Finias heute Mittag gesprochen hatte, schienen bereits zu schlafen. Wir positionierten uns und warteten. Die Zeit floss zäh wie Blei und nichts geschah.
Eine Gruppe Stadtwachen bog von der Hauptstraße in "unsere" Gasse ein und blieb ein paar Meter vor uns stehen - die Waffen fest im Griff.
"Haben sich die Herrschaften verlaufen? Oder warum lungert ihr hier herum?"
"Wir sind nur auf der Suche nach einem Freund. Er kam gestern Abend nicht nach Hause. Habt ihr zufällig einen rundlichen Gnom mit hellbraunen Haaren und dunklen Flecken auf der Haut gesehen?" Diesmal hatte Artis das Wort ergriffen.
"Einen Gnom? Es gibt hier einige Gnome!" Kannten die Menschen hier eigentlich nur zwei Sätze im Bezug auf Gnome?
"Ja, wir suchen aber eben nur diesen einen bestimmten Gnom!" "Nein, wir haben ihn nicht gesehen. Die letzten Tage war es hier in der Stadt recht ruhig. Und ich hoffe, das bleibt auch so!" Die Stadtwache musterte jeden von uns von oben bis unten.
"Keine Sorge, wir wollen nur unseren Freund finden." Mit einem Knurren und einem letzten kritischen Blick drehten sich die Stadtwachen um und zogen weiter.
Weitere 2-3 Stunden passierte nichts und als ich schon kurz davor war, einfach kopfüber nach vorne über zu kippen, sah ich, wie Finias sich plötzlich seltsam bewegte. Er breitete die Arme zur Seite aus und bewegte sich langsam auf die Dunkelheit zu, als wolle er sie herzlich begrüßen. Ich war verwirrt.
Ich starrte in die Richtung, in die er sich bewegte. Wenn ich die Augen fest zusammen kniff, konnte ich an der Ecke ein paar Gestalten von stämmiger Statur entdecken. Wahrscheinlich hatten wir in jemandens Gefilde gewildert und wurden nun überwacht. Als Finias ihnen jedoch näher kam, verschwanden sie wieder in der Dunkelheit. "Du hast keine Ahnung, wie man jagt. Oder? witzelte Eo.

Dieses Spiel wiederholte sich noch 1-2 Mal, bevor die Sonne langsam aufging. Sonst passierte nichts. Was für ein Reinfall!Wenigstens hatte auch Finias das eingesehen.
"Ich denke, hier passiert nichts mehr. Wir sollten weiter ziehen" Nur wohin? "Was schlägst du vor, Finias?" "Könnte der Silberschmied Redgar schon wach sein? Dann könnten wir dort vorbei gehen."
"Schmiede fangen normalerweise recht früh an. Ich denke, dieser Plan könnte funktionieren." Nüchterne Fakten von Artis. Nichts anderes hatte ich erwartet.
Also setzten wir unseren Fußmarsch fort. Die Silberschmiede war nicht weit entfernt. Gestern, bei unserem Besuch im "Silbernen Krug"  hatten wir sie in der Ferne schon ausmachen können. So stand uns nach dieser langen, langweiligen Nacht ohne Schlaf zumindest keine lange Wanderung mehr bevor.

Die Schmiede passt optisch nicht in die Mittelstadt. Nicht das es kein schönes Gebäude war. Es war nur eben etwas schlichter. Schon von weitem konnten wir kleine Wölkchen aus dem Kamin steigen sehen. Irgendjemand war also zumindest schon mal wach.
Als wir vor der schweren Eingangstür standen, schlug sich Finias plötzlich mit der flachen Hand auf die Stirn. "Wir sind aber auch dumm wie Trolle!" Wie bitte? Hatte ich das gerade richtig gehört? Wir starrten ihn alle entgeistert an. Er grinste. "Wir haben gestern Abend entschieden, dass es zu spät sei den Silberschmied oder die Dame Weißblut aufzusuchen. Dabei hätten wir einfach nur in den "Goldenen Würfel" gehen müssen, hätten beide erwischten und hätten dann schlafen können!"
Bei Vergana! Er hatte Recht! Wie kurzsichtig konnte man denn eigentlich sein?
Aber nun war es zu spät. Die Nacht war vergangen und der "Goldene Würfel" längst geschlossen. Also öffneten wir die Tür zur Schmiede, über der das silberne Wappen hing: ein Amboss und ein Zirkel.
Innen herrschte bereits geschäftiges Treiben. Zwei junge Lehrburschen stocherten in der Glut herum, während am anderen Ende des Raums ein Zwerg mit grau meliertem, schwarzem Bart eine Zeichnung beäugte. Einer der Burschen kam auf uns zu. "Wie kann ich euch helfen, werte Damen und Herren?" "Wir suchen Redgar."
"Das bin dann wohl ich" ertönte es von dem Zwerg. "Wie kann ich euch behilflich sein?"
"Wir suchen unseren Freund Jali Bid-Vahil. Er ist vorgestern nach seinem Besuch im "Goldenen Würfel" nicht nach Hause gekommen."
"Jali? Guter Mann. Einer meiner besten Kunden! Was meint ihr mit 'nicht nach Hause gekommen'?" "Sein Bett war unberührt und seit er den "Goldenen Würfel" vorgestern Nacht verlassen hat, hat ihn niemand mehr gesehen. Wisst ihr vielleicht, wo er sein könnte? Die Mitarbeiter der Spielhalle meinten, Ihr hättet euch mit Jali unterhalten. Hat er erwähnt, dass er weg wollte? Oder hat er sich vielleicht sonst noch mit irgendjemandem unterhalten?"
"Wir haben uns unterhalten, das ist richtig. Wir haben über ein paar Stücke gesprochen, die ich für ihn anfertigen sollte. Und natürlich über den neusten Klatsch. Es ist immer wichtig zu wissen, was in der Stadt so los ist! Aber er hat nichts davon gesagt, dass er weg wollte. Zumindest kommt mir dazu gerade nichts in den Sinn."
"Und habt ihr vielleicht gesehen, mit wem er sich an diesem Abend noch unterhalten hat?" "Ja, er hat sich mit einer Dame unterhalten. Normal gekleidet, weißes Haar. Und mit einem etwas älteren, schlacksigen Varg. Er hatte ein ähnliches Fell, wie Ihr." Er hatte sich an mich gewandt. "Oh, euer Symbol muss wohl im Kampf beschädigt worden sein! Ihr Wächter seid ja bekannt für eure außergewöhnlichen Kampfkünste!" Er grabschte nach dem Wächterbund-Emblem, das vorne auf meiner Kettenrüstung befestigt war und das nur deshalb so verbeult aussah, weil ich mit aller Gewalt versucht hatte, es zu entfernen. Leider ohne Erfolg. Ich wollte nicht bereits von weitem als Wächterin erkannt werden, denn schließlich war es in meiner Kultur keine Kleinigkeit dem Bund den Rücken zu zukehren. Vielleicht wurde nach mir gesucht? Vielleicht wollte man mich bestrafen?
"Ähm, das... Ähm, das ist nichts... Danke..." stotterte ich. Eo beugte sich neugierig nach vorne, um das Symbol besser erkennen zu können. Ich drehte mich weg.
"Gibt es sonst noch irgendetwas Interessantes, das ihr uns erzählen könnt?"
"Oh, ihr seid auch Freunde des guten Klatsches? Habt ihr schon von dem fahrenden Volk gehört, das aktuell in der Stadt gastiert? Eine Gauklertruppe! Und da passieren so allerlei seltsame Dinge. Vor ein paar Tagen sind die Bälle des Jongleurs mit in der Vorstellung verschwunden.Verschwunden! Aus der Luft! Plopp... Plopp... Plopp" er tippe in die Luft als würde er drei imaginäre Seifenblasen platzen lassen. "Das ist ja wirklich mehr als interessant. Vielen Dank. Ihr habt uns wahrlich weiter geholfen."
"Ihr geht schon?" Regdar schien ein wenig enttäuscht "In Ordnung. Aber wenn ihr etwas neues erfahrt, dann lasst es mich wissen!" Er machte eine leichte Verbeugung und wandte sich dann seinen Lehrburschen zu. Während er anfing, die beiden auf Grund irgendeines Fehlers zu recht zu stutzen, verließen wir die Schmiede.
Da aktuell nur noch ein Name auf unserer Liste stand, war das Ziel klar.

Als wir das Haus der Dame Weißblut erreichten, war es bereits später Morgen. Auf den Straßen wurde es geschäftiger und lauter.
Hatte die Silbderschmiede schon nicht ganz in das Bild der Mittelstadt gepasst, so passte der Laden der Dame Weißblut schon zweimal nicht hier her. Das Haus war ein bisschen windschief und die Fensterläden hatten bereits deutlich bessere Zeiten gehabt.
Über der Eingangstür hing ein großes schmiedeeisernes Wappen, das von einem Kessel und einem Zauberstab geziert wurde. Durch das große Fenster an der Vorderseite konnte man so gut, wie nichts erkennen. Die Sicht wurde durch eine Mischung aus Spinnweben, Staub, Vorhängen und Kräuterbüscheln versperrt.
Als wir durch die Tür traten, klingelte ein kleines Glöckchen oberhalb unserer Köpfe und hinter einem klimpernden Perlenvorhang rauschte eine Frau hervor. Den Körper in wallende Gewänder und Tücher gehüllt, die feuerroten Haare zerzaust und wild zu etwas ähnlichem wie einer Frisur geformt. Auf ihrer krummen Nase thronte eine riesige  Brille mit Gläser, so dick, man hätte 5 Brillen daraus machen können. Durch die dicken Gläsern waren ihre Augen unnatürlich stark vergrößert und ich spürte, wie mir ein Schauer über den Rücken lief.
"Seid gegrüßt!" flötete sie in einer übertrieben fröhlichen Art. "Wie kann ich euch helfen? Braucht ihr Kräuter? Ein Elixier?" Ahh... DER HUND MUSS DRAUßEN BLEIBEN!" Sie hatte Fenris entdeckt und fuchtelte jetzt wild vor uns herum. "Wenn Fenris draußen bleiben muss, dann bleibe ich auch draußen!" sagte Eo schnippisch und machte auf dem Absatz kehrt. Mit einem dumpfen Schlag fiel die Tür hinter uns ins Schloss. Ein merkwürdiger Geruch stieg mir in die Nase - ich konnte ihn nicht zuordnen. Es roch nach einer Mischung aus Wildblumenwiese an einem warmen Sommertag, regennassem Wald und dreckigem Schwein. Zudem hing ein leichter Nebel aus Staub in der Luft. Und es war still. Unheimlich still! Kein Geräusch drang von der Straße mehr herein.
"So nun, wie kann ich euch helfen? Kräuter? Ein Elixier?" Sie fuchtelte mir allerlei Zeug vor uns herum und ich wurde von der Flut an Düften fast trunken. "Ein Öl für seidiges Fell vielleicht?" sie strich mir über den Arm während sie mir eine Flasche unter die Nase hielt. "Oder etwas für die Liebe?" Nun tänzelte sie um Artis herum. Bei Vergana, diese Frau war das nervigste, was mir je unter die Augen gekommen war! Ich weiß, etwas ähnliches hatte ich auch über Eo gesagt. Aber Eo war dagegen ein Lamm...
Wir stellten ihr unsere Fragen, kamen aber meist nicht weit, weil sie immer wieder versuchte, uns etwas zu verkaufen und eigentlich gar nicht zuhörte. So fanden wir lediglich heraus, dass sie Jali kannte und sich gerne mit ihm unterhielt. Und das die Frau, von der Redgar gesprochen hatte, wohl in ihrem Alter war und auf den Namen Talida hörte. Die beiden hätten sich sehr häufig unterhalten.
Plötzlich unterbracht die Dame Weißblut ihr Gewussel und drehte sich schlagartig um. "Was ist denn mit Jalis Handelshaus? Wer kümmert sich darum?" fragte sie neugierig.
"Rembarik hat sich der Sache angenommen. Er hat zwar alle Hände voll zu tun, aber er schafft das." "Ach, der gute, alte Rembarik! Ich glaube ich werde ihn später besuchen gehen. Ich habe hier etwas, das ihm bestimmt hilft. Ja, das werde ich tun..." und sie drifftete wieder in ihre eigene Welt ab.
Mir wurde es nun zu bunt und so beschloss ich mich zurück zu ziehen. Artis folgt mir, während Finias noch ein paar Minuten im Laden verharrte.
Als wir auf die Straße traten, wurden wir vom Lärm der Welt regelrecht erschlagen. Was war das nur für ein Laden!
Finias verließ den Laden wenige Minten später mit einem ordentlich verpackten Stück Seife. Kein Geld für einen ordentlichen Schlafplatz haben, aber Hauptsache man hat Seife!

Es war zwischenzeitlich früher Vormittag und man konnte uns deutlich ansehen, dass wir uns nichts sehnlicher wünschten als ein Bett. Eo sah furchtbar zerstört aus, Artis konnte die Augen kaum offen halten und selbst Fenris wirkte schläfrig.
"Wir sollten uns ein Gasthaus suchen und uns erst Mal ausruhen" schlug Finias vor. "Ich glaube, ich war noch nie so müde!" "Und wovon sollen wir das bezahlen?" erwiderte Artis geknickt. Ach ja, die beiden hatten ja immer noch kein Geld. Und ich hatte tatsächlich keine Lust, das Gasthaus für die komplette Gruppe zu bezahlen. "Na gut, was schlägst du vor?"
"Wir schauen noch mal bei Rimbarik vorbei. Ich kenne ihn gut. Er hat bestimmt ein Plätzchen, wo wir uns ausruhen können."
Und so traten wir erneut den Fußmarsch in die Unterstadt an. Innerlich verfluchte ich den Architekten dieser Stadt. Wie konnte man eine Stadt nur so groß machen! Und ich verfluchte mich selbst. Warum hatte ich nicht daran gedacht, mein Pferd mit zu nehmen, als ich von Zuhause verschwunden war?

Die Sonne stand hoch am Himmel als wir endlich das Handelshaus erreichten. Rimbarik hatte es heute morgen wohl wieder ganz normal geöffnet, zumindest standen einige Kunden vor dem Tresen.
Wir warteten kurz bis er die Kunden fertig bedient hatte und der Laden sich wieder leerte.
"Seid gegrüßt, Rimbarik. Habt ihr etwas von Jali gehört?" begrüßte ihn Artis. "Ah, seid gegrüßt. Nein, keine Spur von Jali. Seid ihr bereits weiter gekommen? Ich mache heute größtenteils ein bisschen Korrespondez."
"Nicht wirklich. Wir habe ein paar Spuren, aber noch nichts konkretes. Bevor wir aber weiter nach Jali suchen können, müssen wir uns erst Mal ausruhen. Sagt, Rimbarik, hättet ihr uns ein Plätzchen, wo wir ein paar Stunden schlafen können?"
"Ein paar Spuren? Sehr erfolgreich scheint ihr bisher nicht gewesen zu sein. Aber besser wie nichts. Natürlich habe ich einen Schlafplatz für euch. Ihr könnt es euch hinten im Lager bequem machen. Es gibt zwar keine Betten, aber Söldner und Reisende, wie ihr es seid, sind auf solche Situationen gewiss vorbereitet."
"Bevor wir uns hinlegen, hätte ich noch ein paar Fragen" meldete sich Finias zu Wort. "Jali hat im "Goldenden Würfel" des öfteren mit einem Varg und einer gewissen Talida gesprochen. Kennt ihr die beiden?" "Den Namen Talida habe ich schon gehört. Aber ich kann euch leider nicht mehr sagen, in welchem Zusammenhang. Aber ein Varg? Ich wüsste nicht, dass Jali mit einem Varg verkehrt. Aber nun bin ich doch neugierig. Was sind das für Spuren, die ihr da verfolgt?"
Finias holte bedeutungsschwer Luft "Aktuell müssen wir davon ausgehen, dass Jali entführt wurden. Anwohner haben gesehen, wie jemand in eine schwarze Kutsche gezogen wurde. Und zwar genau an der Stelle, an der Fenirs Jalis Spur verloren hat!" Rimbarik wurde bleich.
"Bei den Göttern! Das darf doch nicht wahr sein!  Wie kann ich euch... Da fällt mir ein... " Er kramte unter dem Tisch herum und zog ein Buch hervor. "Würde es euch vielleicht helfen, wenn ihr einen Blick in Jalis Tagebuch werfen könntet? Leider ist es verschlüsselt."
"Das könnte uns wahrlich weiter bringen. Leider beherrscht keiner von uns die Art von Magie, die zum Entschlüsseln des Buches notwendig wäre. Oder?" Er schaute fragend in die Runde. Alle schüttelten den Kopf.
"Ich werde die magische Entschlüsselung in Auftrag geben. Schließlich will ich, dass Jali gefunden wird. Die Entschlüsselung wird ein bisschen dauern, aber ihr könnt die Zeit nutzen, um zu schlafen."
Während dieser Worte war er bereits ausgestanden und auf dem halben Weg zur Tür. Dann war er weg.

Wir zogen uns ins Lager zurück.
Ich nutzte die Ruhe, um mich noch mit Artis und Eo zu unterhalten. Ich wusste nichts über die beiden und auch wenn es etwas spät für eine Vorstellungsrunde war, so wollte ich das doch noch nachholen.
Artis hieß eigentlich Ariantis und gehörte tatsächlich zum Albischen Seebund. Er war schon viel herum gekommen, vor allem mit dem Schiff , und kannte viele außergewöhnliche Orte. Er erzählte davon, wie er Mondlicht verletzte auf einem Landgang entdeckt und an Bord des Schiffes gesund gepflegt hatte. Und das ihm Mondlicht seit her nicht mehr von der Seite gewichen war.
Eo hieß auch nicht wirklich Eo. Sie hieß eigentlich Eora. Na gut, so viel besser war das nicht. Aber Alben waren für ihre seltsamen, melodischen Namen bekannt. Ihrer Aussage nach kam sie von einem 'lauschigen, friedlichen Ort'. Irgendwo in der Nähe des Hafens der Dämmeralben.
Und woher dann erzählte sie, woher sie Fenris hatte. Sie hatte ihn als Welpe verlassen im Wald gefunden und adoptiert. 
Ich mochte die beiden nach diesem Gespräch nicht deutlich mehr als vorher, aber es gab einem ein beruhigendes Gefühl, ein bisschen mehr über die Menschen - oder Alben - zu wissen, mit denen man sich in Abenteuer stürzte.
Und mit diesem beruhigten Gefühl schlief ich ein.